Was das PROFINET-Netzwerk im Innersten zusammenhält
12.04.2021Mit der technischen Weiterentwicklung von Kommunikationssystemen in der Automatisierung hat sich die Instandhaltung durch die Verbreitung von PROFINET stark verändert. Dabei befinden sich besonders die Netzwerkstrukturen im Wandel von separaten Einzelnetzwerken (homogenen Netzwerke) zu vernetzten (heterogenen) Netzwerken. Diese scheinbar simple Veränderung erfordert ein maßgebliches Umdenken, um die Hochverfügbarkeit von Anlagennetzwerken und Maschinen weiterhin zu gewährleisten.
Wer seit Jahren oder sogar Jahrzehnten PROFIBUS in seinen Maschinen im Einsatz hat, der kennt inzwischen seine typischen Zipperlein, z.B. dass es physikalischen Verschleiß gibt, der dann mittelfristig zu Problemen in der Kommunikation führen kann.
PROFINET als Selbstläufer? Wenn man weiß wie...
Mit dem Wechsel zu PROFINET hieß es nun Plug-and-play. Die Vorteile der Leistungsfähigkeit und Schnelligkeit brachten ungeahnte neue Möglichkeiten in der Produktion. Die Kommunikationslandschaft hat sich von Grund auf gewandelt. Heute wissen wir, dass auch PROFINET nicht spielend leicht funktioniert. Häufiger treten sporadischen, nicht reproduzierbare Ereignisse auf, die sich erst einmal einfach quittieren lassen und eigentlich unproblematisch erscheinen. Dabei gehen Daten verloren. Froh kann sich schätzen, wer ein konsequentes Netzwerkmonitoring anwendet und diese Ereignisse auch später noch nachvollziehen kann. Und mehr noch: Diese sporadischen Störungen sind immer Vorboten für ein sich anbahnendes Netzwerkproblem.
Ein weiteres Argument für den Umstieg auf die TCP/IP basierte Kommunikation mit PROFINET war die Einbindung unterschiedlichster Applikationen in einem Netzwerk. Waren PROFIBUS-Netze homogener Struktur, so handelt es sich beim PROFINET um heterogene Netze. Doch ein Zurückbesinnen auf mehrere parallel verlegte homogene Netze ist wenig wirtschaftlich und effektiv. (vgl. Begriffserklärung unten: heterogene und homogene Netzwerke).
Der erste Gedanke ist häufig, dass homogene Netze stabiler sind, sicherer und einfacher zu überwachen. Doch das bedeutet auch, jedes dieser Netze einzeln zu überwachen und zu jedem dieser Netzwerke Schnittstellen zu schaffen. Ein enormer Aufwand. Wer ist gewillt den Bau und auch die Instandhaltung zu finanzieren?
Vorteilsbringer Industrial Switch
Die Alternative ist die gemeinsame Nutzung des Netzwerks durch mehrere Anwendungen. Hierbei spielen Industrial Switches eine wesentliche Rolle. Sie verwalten die Kommunikationsprotokolle. Laufen kurze Protokolle, wie zum Beispiel PROFINET, und lange wie beispielsweise Visualisierungsdaten, über denselben Switch, könnte es zu Datenverlusten kommen, wenn der Speicher nicht groß genug ist. Dadurch werden die Netze instabil und das führt über kurz oder lang zum Kommunikationsausfall und schlimmstenfalls zum Anlagenstillstand.
Was für homogene Netzwerke gilt, gilt nicht automatisch auch für heterogene Netzwerke
Bei homogenen PROFIBUS-Netzwerken waren Auswahlkriterien für den passenden Switch oft die Gehäusegröße, der Preis, die Schutzklasse und als wesentliches Argument der Hersteller. Wer eine SPS von Siemens, Rockwell, Phoenix und Ähnliche im Einsatz hatte, griff in der Regel immer auch zu einem Switch dieses Herstellers. Und das war auch absolut sinnvoll – in homogenen Netzen. Denn in diesem Fall sind SPS und Switch perfekt aufeinander abgestimmt.
Aber in heterogenen Netzen sollten Maschinen- und Anlagenbauer und letztlich auch Betreiber andere Kriterien ansetzen. Ein klassischer PROFINET-Switch ist für kurze PROFINET-Protokolle optimiert. Lässt man aber eine Visualisierungsapplikation über denselben Switch laufen, fehlen hier passende Konfigurationsmöglichkeiten und es kommt zu Datenverlust uvm. Ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Switches ist heute die Bandbreite. Beispielsweise sollte der Backbone einer Maschine in Gigabit ausgeführt sein. Backplane Capacity, Data Throughput, Buffer Size und Buffer Pagesize (Begriffserklärung siehe unten) sollten als Hauptargumente für die Wahl des Switches angesetzt werden anstatt der Name des Herstellers – ähnlich wie auch im IT-Bereich. Dadurch ständen ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung, um die Daten aller Applikationen in heterogenen Netzen zuverlässig zu übertragen.
Eine weitere Überlegung folgt daraus: Könnte man weiterhin eine Übertragungsrate von 100 Mbit/s verwenden, und sollte man TSN nutzen? Oder könnte man eine Übertragungsrate von 1 Gbit/s nutzen und dann auf TSN verzichten? Beides kann im Allgemeinen mit ja beantwortet werden. In beiden Fällen würde sich die real verfügbare Bandbreite erhöhen. In Anbetracht des Preisdruckes würde man sich in der Praxis eher für Gigabit entscheiden.
Zustandsüberwachung in Netzwerkinfrastruktur integrieren
Ein weiteres sinnvolles Kriterium ist zweifelsohne die Diagnose-Möglichkeit in Form eines managed Switches. Denn damit kann die Netzwerk-Instandhaltung vorbeugend realisiert werden. Einerseits macht die Diagnose leitungsbasierte Defekte frühzeitig erkennbar und behebbar. Andererseits kann auch die Netzlast analysiert werden, die kurzfristige Überlastung aufzeigt. Zudem könnten auch Potenzialausgleichsströme aufgedeckt werden. Weist der Switch Errors im Zusammenhang mit hohen Ableitstromwerten nach, dann liegt die Fehlerursache im Bereich der EMV. Weist der Errors im Zusammenhang mit schlechten Leitungsqualitätswerten nach, dann ist entweder die Verbindung defekt oder das angeschlossene Endgerät.
Das führt letztlich zu der Schlussfolgerung, dass die Leistungsfähigkeit und Diagnosemöglichkeiten eines Switches der Schlüssel für hohe Netzwerkperformance und Verfügbarkeit einer Maschine und Anlage sind. Switches sind, wenn man so will, wie das Herzstück des Netzwerks zu betrachten. Aber auch wie eine Achillesferse. Eine genaue Abwägung bei der Auswahl des geeigneten Switches angepasst an die speziellen Anforderungen des eigenen Netzwerks scheint für die Arbeit der Instandhaltung und bereits in der Phase der Netzwerkplanung das A und O zu sein.
Begriffsklärungen
Heterogene und homogene Netzwerke
Unter homogenen Netzwerken versteht man im OT-Bereich einheitliche Netzwerke, bei denen der Hersteller der Steuerung auch die Netzwerkinfrastruktur liefert und im ganzen Netz nur eine einzelne Applikation (also z.B. PROFINET) genutzt wird. Bei heterogenen Netzwerken dagegen laufen verschiedene Applikationen im selben Netzwerk. Weiterhin können die Steuerung und die Netzwerkinfrastruktur von verschiedenen Herstellern bezogen werden.
Backplane Capacity
Die Backplane Capacity ist ein Maß dafür, welche Datenmengen ein Switch je Zeiteinheit bearbeiten kann. Sie wird in Bit/s angegeben.
Data Throughput
Der Data Throughput beschreibt, wie viele Telegramme ein Switch pro Zeiteinheit bearbeiten kann. Seine Maßeinheit ist pps (Pakete pro Sekunde).
Buffer Size
Die Buffer Size liefert Rückschluss auf die Datenmengen, die ein Switch zwischenspeichern (puffern) kann. Sie wird in Bit angegeben.
Buffer Pagesize
Der Gesamtspeicher wird in einzelne Speicherseiten unterteilt. Je Seite kann maximal ein Telegramm gespeichert werden. Die Buffer Pagesize gibt die feste Speichergröße der Speicherseite an und wird in Byte angegeben.