Ableitstrom

Ableitstrom richtig messen

Je intensiver der Einsatz elektrischer Antriebs- und Steuerungstechnik in der Industrie, umso wahrscheinlicher das Auftreten erhöhter Ableitströme. Speziell in der automatisierten Produktion – mit ihren immer schnelleren Taktfrequenzen und flankensteilen Signalen – können Ableitströme auftreten, deren Frequenzbänder aus dem „überschaubaren“ Hz-Bereich in den schwer zu überwachenden MHz-Bereich hineinreichen. Anteile dieser erhöhten Ableitströme finden sich auch in den Schutzleiterströmen. Demzufolge lässt sich ein Zusammenhang zwischen Ableitströmen und Netzwerkausfällen herstellen: Treten Ableitströme nämlich in den Schirmverbindungen der industriellen Netzwerkinfrastruktur auf, können sie für Spannungsdifferenzen im Bezugspotential sorgen und den Potentialausgleich (PA) destabilisieren. Störenden EMV-Einflüssen auf die Datenkommunikation in den industriellen Netzwerken sind damit Tür und Tor geöffnet.

Ursachen für Ableitstrom in der Industrie

Beim Betrieb von Maschinen bzw. Anlagen entsteht Ableitstrom infolge kapazitiver Kopplung der elektrischen Komponenten sowie bevorzugt durch induktive Kopplung zwischen zwei oder mehreren Leitern. Wie kommt es dazu?

  • Eine kapazitive Kopplung setzt voraus, dass zwei Leiter mit unterschiedlichen Spannungen galvanisch miteinander verbunden sind und einen Potentialunterschied aufweisen. Es entsteht ein elektrisches Feld zwischen den Leitungen. Die Spannungsänderung in einem Leiter bewirkt einen Stromfluss in dem anderen. Solche Beeinflussungen treten beispielsweise in den Schutzleitern (PE) der Einspeisung auf, da die Phasen und der PE am Sternpunkt des Trafos eine galvanische Verbindung aufweisen.
  • Eine induktive Kopplung setzt lediglich voraus, dass sich zwei Leiter mit sich zeitlich verändernden Strömen in räumlicher Nähe zueinander befinden. Deshalb tritt sie in der Praxis so häufig auf. Eine Veränderung des Stroms zieht eine Änderung des Magnetfeldes um die Leiter nach sich, wodurch der eine Leiter eine Spannung in den anderen induziert. Dies betrifft z.B. Datenleitungen, wenn sie auf der Strecke zwischen FU und Motor in derselben Kabeltrasse wie eine Motorleitung verlegt sind. Hierbei besteht eine räumliche Nähe über eine große Länge, wodurch relativ hohe Ströme in den Schirm der Datenleitung induziert werden. Darunter kann die Kommunikationsqualität und letztlich die Stabilität des betroffenen Datennetzes leiden.
  • Zu einer galvanischen Kopplung kommt es immer dann, wenn eine elektrisch leitfähige Verbindung zwischen zwei Stromkreisen vorliegt. Beispielsweise kann die mehrfache Erdung des Minus der 24V-Spannungsversorgung dazu führen, dass der Minus Bestandteil des Potentialausgleichssystems wird und dessen Ströme mit ableitet.

Im Unterschied zu Fehler- und Leckstrom ist Ableitstrom somit betriebsbedingt und lässt sich nie ganz vermeiden. Solange er jedoch innerhalb bestimmter Grenzwerte bleibt, gefährdet er weder Verfügbarkeit, noch Betriebssicherheit. Gezielte konstruktive Maßnahmen an den Anlagen – wie die Optimierung des Potentialausgleichssystems und der Leitungsverlegung –, aber auch regelmäßige Kontrollen stellen die Einhaltung dieser Grenzwerte sicher.

Ableitstrom Ursachen: KoppeleffekteAbleitstrom durch Koppeleffekte
Ursachen für AbleitstromSchema: Induzierte Ableitströme

Stichwort: Grenzwerte für Ableitstrom
DIN VDE 0701-0702 legt Grenzwerte für elektrische ortsveränderliche Betriebsmittel fest. Demnach darf Ableitstrom als Berührungsstrom eine Stromstärke von 0,5 mA nicht überschreiten. Für Ableitstrom als PE-Strom liegt der Grenzwert bei 3,5 mA. Höherfrequente Ableitströme, wie sie z.B. in automatisierten Produktionsanlagen auftreten, dürfen jedoch ein Mehrfaches von 3,5 mA betragen. Normen wie DIN VDE 0104 definieren für Ströme mit Frequenzen ≥500 Hz und ≤1 MHz spezifische Grenzwerte.

Überhöhte Ableitströme erkennen

Ableitstrom hat schon so manchem Elektrotechniker Stirnrunzeln bereitet. Ein „beliebtes“ Szenario sieht wie folgt aus: Ein FI-Schutzschalter, der vor einem Frequenzumrichter (FU) installiert ist, löst immer wieder aus, obwohl offensichtlich kein Fehlerstrom vorliegt. Maschine bzw. Anlage kommen dennoch zum Stillstand. Häufige Ursache in solchen Fällen sind überhöhte Ableitströme. Das Gute daran: Der Fachmann kann schlussfolgern, dass mit den Isolierungen an den Geräten und Betriebsmitteln alles in Ordnung ist. Denn Ableitstrom tritt nur in fehlerfreien Stromkreisen auf.

Weniger trivial, aber deshalb nicht seltener, ist das Szenario einer roten Fehler-LED: Blinkt eine solche Warnleuchte an der Anlagenhardware auf, zeigt sie dem Instandhalter an, dass eine Störung vorliegt. Er kann nun vor Ort mit der Diagnose beginnen – jedoch wird er die Störungsursache selten direkt an der signalisierten Stelle finden. Wenn die Datenkommunikation betroffen ist, lässt sich vielleicht gar keine Schwachstelle im System ausfindig machen. Spätestens dann stellt sich die Frage nach externen Einflüssen wie elektromagnetischen Unverträglichkeiten. Sollten tatsächlich überhöhte Ableitströme als Verursacher der Störung infrage kommen, ist es für den Instandhalter gar nicht leicht, diese ausfindig zu machen. Erst gezielte Messungen am Potentialausgleichssystem sowie an den Schirmverbindungen der Bus-Leitungen bringen ihn der Lösung näher.

Ableitstrom permanent messenAbleitstromüberwachung mit dem PROFINET Switch PROmesh P9
Permanente AbleitstrommessungPermanente Stromerfassung auf vier Messkanälen mit dem EMV-INspektor® V2

Messgeräte zur Ableitstrommessung

Grundsätzlich gilt, dass die betriebsmäßige Belastung des PA so gering wie möglich sein sollte. Um die Güte des PAs und damit die EMV-Stabilität von industriellen Netzwerken zu überprüfen, bedarf es geeigneter Messmittel. Die Maschenwiderstandsmesszange MWMZ II arbeitet mit einer festen Prüfsignalfrequenz von 2.083 Hz und misst Schleifenwiderstand sowie Ableitstrom an Schirm und Erdung von Maschinen bzw. Anlagen. Alarmschwellen für die Messwerte können voreingestellt werden. Die Stromzange gibt aber auch selbstständig eine Warnung aus, falls der Ableitstrom stark verzerrt ist oder Werte >5 A bzw. >10 A erreicht. Durch Multiplikation der Schleifenimpedanz mit der Stärke der Ableitströme ermöglicht die MWMZ II zudem eine Abschätzung der Berührungsspannung – eine wichtige Information in puncto Betriebssicherheit.

Mit der ISMZ I können darüber hinaus auch schwer nachweisbare, transiente Ableitströme aufgespürt werden. Die Intelligente Strommesszange misst mit Abtastraten von 10 kHz, 30 kHz und 40 kHz schneller und präziser als herkömmliche Stromzangen. Zusätzlich verfügt sie über einen eingebauten Speicher, sodass sie auch zur Langzeitmessung eingesetzt werden kann: Für einen Zeitraum bis 14 Tage erfasst und bewertet sie selbstständig den Stromverlauf in der angelegten Leitung. Werden die eingestellten Schwellwerte erreicht bzw. überschritten, wird dieses Ereignis für die spätere Analyse aufgezeichnet. Die entsprechende Analysesoftware EMCheck® View ist bereits im Lieferumfang enthalten.

Permanente Ableitstromüberwachung

Eine dauerhafte Überwachung von Ableitströmen und anderen elektromagnetischen Störgrößen erlaubt der EMV-INspektor® V2. Bis zu vier Messkanäle gleichzeitig können an das Diagnosegerät angeschlossen werden, z.B. Stromversorgung, Motorleitung, Datenleitung und Potentialausgleichsleiter. Somit lassen sich alle wesentlichen Leitungswege einer Maschine bzw. Anlage parallel erfassen und analysieren. Dies erleichtert nicht nur die Suche nach EMV-Störquellen, sondern kann kostspieligen Anlagenstillständen vorbeugen. Eine grundlegende Ableitstromüberwachung leistet bereits der voll ethernetfähige PROFINET Switch PROmesh P9 von Indu-Sol: Er ist in der Lage, die Summe aller Schirmströme der angeschlossenen Leitungen permanent zu erfassen und zu bewerten. Auf seiner Web-Oberfläche wird zusätzlich zu dem Stromwert das dazugehörige Spektrum mit den jeweiligen Frequenzanteilen angegeben. Somit liefert der Switch wichtige Hinweise auf mögliche EMV-Störungen und damit alle notwendigen Informationen für eine flächendeckende Netzwerkdiagnose.


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