Ohne Diagnose keine Therapie. Das gilt nicht nur in der Medizin, sondern auch in der Technik. Treten Störungen an Maschinen, Anlagen oder Elektronik auf, sind Instandhalter gefragt. Ihre Aufgabe ist es, den Soll-Zustand wiederherzustellen – vergleichbar mit Sanitätern, die sich in akuten Notfällen um die Gesundheit ihrer Patienten bemühen. Damit ein Rettungseinsatz erfolgreich verläuft, muss die Notfalldiagnose stimmen. So wie hierbei Messgeräte Aufschluss über wichtige Kenngrößen des menschlichen Organismus wie Herzspannungskurve, Blutzuckerspiegel u.a. geben, gibt es auch bei industriellen Netzwerken ähnliche „Qualitätswerte“. Der Fachmann spricht von physikalischen und logischen Parametern – je nachdem, ob sie sich auf die Netzwerkgeräte, die Netzwerkinfrastruktur oder die Netzwerkkommunikation beziehen.
Physikalische vs. logische Netzwerkdiagnose
Eine fachgerechte Netzwerkdiagnose bezieht beide Arten von Parametern ein. Deshalb unterscheidet man auch zwischen einer physikalischen und einer logischen Diagnose. Ein Beispiel: Tritt im PROFIBUS-Netzwerk ein Störungsfall auf, beginnt die Fehlersuche bei der Logik. Dazu werden geeignete Diagnosegeräte ins Netzwerk eingebunden. Sie ermöglichen eine Analyse aller zustandsrelevanten Ereignisse. Dazu gehören Telegrammwiederholungen, Fehlertelegramme, Geräteausfälle und -neuanläufe, Zykluszeiten, Busgeschwindigkeiten u.a. Auch die Daten von diagnosefähigen Netzwerkteilnehmern – wie Repeatern oder intelligenten Messstellen – fließen in die Auswertung ein. Zur physikalischen Diagnose wird ein professioneller Leitungstester hinzugezogen, welcher Parameter wie Impedanz, Übersprechen, Kabellänge, Biegeradien und Terminierung prüft und die Schwachstelle(n) im Netzwerk genau lokalisiert. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollten die Instandhalter und Servicemitarbeiter das Potentialausgleichssystem der Anlage prüfen, um elektromagnetische Unverträglichkeiten als Störquellen auszuschließen. Nur so können sie letztlich die richtigen Maßnahmen zur Fehlerbehebung ergreifen.
An dieser Stelle ließen sich viele weitere Beispiele aufzählen, um das Vorgehen bei Netzwerkdiagnosen zu veranschaulichen. Wir begnügen uns jedoch mit dem Hinweis, dass die relevanten Qualitätswerte von Technologie zu Technologie abweichen und jeweils passende Hard- und Software zur Diagnose erfordern. PROFIBUS und PROFINET bilden hier eher die Regel als die Ausnahme. Während bei ersterer die Ursachen für Qualitätsprobleme überwiegend physikalischer Natur sind, liegt das Augenmerk bei letzterer vor allem auf logischen Parametern wie Aktualisierungsrate, Jitter und Netzwerklast: Ausgefallene Datenaktualisierungen und verspätete Telegramme sind im PROFINET ebenso Anzeichen von Schwachstellen wie schwankende Lastspitzen, die die Einhaltung der Aktualisierungsrate gefährden.
Lässt man die technologischen Unterschiede außer Acht, bleiben vier grundlegende Fragen, die sich bei jeder Netzwerkdiagnose stellen: Was soll gemessen werden? Wie soll es gemessen? Wo soll es gemessen werden? Womit soll es gemessen werden?
Netzwerkdiagnose als Routine
Netzwerkdiagnosen dienen nicht nur der gezielten Fehlerbehebung im Störungsfall, sondern erfolgen auch routinemäßig, etwa bei Inspektionen, Revisionen oder im Rahmen von Neuinstallationen. Hierbei geht es jeweils darum, den Ist-Zustand zu ermitteln, um daraus gezielte Maßnahmen für Planer, Errichter oder Instandhalter abzuleiten. Bei einem neu installierten Netzwerk ist die Diagnose sogar obligatorisch, damit es fachgerecht abgenommen werden kann. Zur Abnahme gehört ein On- und Offlinetest der Kommunikationsqualität, bei dem das Netzwerk physikalisch wie logisch geprüft wird. Im Anschluss daran werden die Messergebnisse ausgewertet, um etwaige Verbesserungen der Netzwerkstabilität vorzunehmen. Das abschließende Messzertifikat bescheinigt die Betriebsbereitschaft der Anlage.
Permanente Netzwerkdiagnose
Wenn Planer und Betreiber Instandhaltung langfristig denken, müssen Wartungsarbeiten nicht mehr ereignisgetrieben erfolgen, sondern können bedarfsgerecht und vorausschauend durchgeführt werden. Voraussetzung für ein solches Condition Monitoring sind Mess- und Diagnosegeräte, die ständig im Netzwerk verbleiben, um ihre Daten zur Qualität der physikalischen und logischen Parameter im laufenden Betrieb aktuell zu halten. Durch diese permanente Überwachung ermöglichen sie die frühzeitige Diagnose von Schwachstellen im Netzwerk und machen zustandsorientierte Instandhaltung somit planbar. Die notwendigen Informationen können aktiv und passiv gesammelt werden:
- Aktive Netzwerkdiagnose Die aktive Netzwerkdiagnose ermittelt wichtige, netzwerkbeschreibende Parameter wie IP-/MAC-Adressen, Software-/Hardware-Stände, Portstatistiken/Portfehler, Leitungslängen, Dämpfungsreserven oder die Topologie. Hierbei gilt es zu bedenken, dass zum Sammeln der Informationen häufig Broadcast-Telegramme (sprich: „Anfragen“ an alle Teilnehmer) verwendet werden, die eine relativ hohe Netzwerklast nach sich ziehen.
- Passive Netzwerkdiagnose Die passive Netzwerkdiagnose ermittelt wichtige, netzwerksichernde Parameter wie Jitter, Lastverhältnis, Bus-Last, Datendurchsatz am Port der Steuerung u.a., wobei das Sammeln der Informationen keine zusätzliche Netzwerklast verursacht. Die Diagnosegeräte „hören“ nur mit, anstatt aktiv zu senden und scheiden damit als potentielle Fehlerquellen aus. Wichtig für eine optimale Diagnose ist, dass die Geräte an der Backbone-Verbindung platziert werden, damit sie den kompletten Telegrammverkehr zwischen SPS und dem Feld überwachen können.
Der Vergleich zeigt: Erst im Zusammenspiel von aktiver und passiver Diagnose ergibt sich ein nahezu vollständiges Bild vom Netzwerkzustand.
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