Vagabundierende Ströme
„Vagabunden“ sind laut Duden Herumtreiber. Der Begriff lässt sich auf das lateinische Adjektiv „vagus“ zurückführen, was so viel bedeutet wie: regellos, unstet, umherschweifend. Würde man dieser Übersetzung folgen, müsste man eigentlich alle Ströme als vagabundierende Ströme bezeichnen. Denn es liegt nun einmal in der Natur der Sache, dass Ströme fließen und scheinbar ihren eigenen Regeln folgen. Unter vagabundierenden Strömen verstehen Elektrotechniker dennoch ein spezielles Phänomen – und zwar Störströme, die über Teile des Potentialausgleichs oder andere Leiter fließen, die nicht für sie vorgesehen sind.
Ursache(n) und Wirkung
In einem TN-C-Netz suchen sich vagabundierende Ströme anstelle des Nullleiters die Erdung und/oder andere leitfähige Materialien, um zur Stromquelle zurückzufließen. Alles, was sie dafür benötigen, sind Verbindungen zwischen Null- und Erdleitern, welche im industriellen Umfeld teils gewollt, in der Regel aber unbeabsichtigt vorliegen. Als nieder- bzw. höherfrequente Ströme entscheiden sich die „Vagabunden“ bevorzugt für die Schirme industrieller Datenleitungen. Diese bilden häufig den kürzesten Rückstrompfad zur Stromquelle und zugleich den Weg der geringsten Impedanz. Das macht die Leitungsschirme attraktiver als den Potentialausgleich. Das Problem daran: Schirmströme ziehen langfristig einen höheren Verschleiß der Netzwerkgeräte und -infrastruktur nach sich. Und sie führen häufig zu Störungen des Datenverkehrs.
Oft werden vagabundierende Ströme mit Starkstrom in Verbindung gebracht, wie er etwa bei elektrischen Bahnen (E-Zügen) fließt. Dass sie auch bei Niederspannungsanlagen und Kommunikationsnetzen (wie PROFINET-Netzwerken) auftreten können, ist vielen Betreibern industrieller Anlagen nicht bewusst. Treten Störungen auf, suchen sie die Fehlerquelle bei Geräten und Komponenten, ohne der tatsächlichen Ursache auf den Grund zu gehen. Besonders tückisch: Vagabundierende Ströme können auch periphere Geräte beeinträchtigen, was die Fehlersuche zusätzlich erschwert.
Vagabundierende Ströme messen und vermeiden
Die Qualität einer Niederspannungsanlage steht und fällt mit dem Potentialausgleich. Es sollte sichergestellt sein, dass die Impedanz des Potentialausgleichssystems geringer ist als die Impedanz des Schirms. Folgende Richtwerte empfiehlt Indu-Sol:
- Schirmschleifenwiderstände von Datenleitungen im Bereich bis 0,6 Ω (Impedanzwert bei 2 kHz)
- Schleifenwiderstände des Potentialausgleichssystems im Bereich bis 0,3 Ω (Impedanzwert bei 2 kHz)
Ein vermaschter Potentialausgleich kann elektromagnetische Störungen deutlich verringern. Je dichter die Vermaschung, umso größer ihr Effekt. Mit der Maschenwiderstandsmesszange MWMZ II lassen sich die entsprechenden Werte präzise ermitteln. Wenn es darum geht, die Schwachstellen eines Potentialausgleichssystems aufzuspüren, ist die Leckstromzange LSMZ I das geeignete Messwerkzeug. Sie findet heraus, an welcher Stelle eines Netzwerks parasitäre Ströme auftreten. Für diese Aufgabe ist sie mit einem breiten Frequenzband ausgestattet, das von 50 Hz im niederfrequenten bis 3 kHz im höherfrequenten Bereich reicht.
Sind die Ursachen einer Kommunikationsstörung im Netzwerk nicht eindeutig auszumachen, können langfristige EMV-Messungen wichtige Hinweise liefern: Die Intelligente Stromzange ISMZ I überwacht leitungsgebundene Störströme über einen Zeitraum von bis zu vierzehn Tagen. Ihr eingebauter Speicher zeichnet alle gemessenen Daten auf. Zudem ist die Messzange in der Lage, eigenständig Daten zu bewerten. Mithilfe der zugehörigen Software können Sie die Auswertungen vertiefen und erste Einschätzungen zur Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) des untersuchten Netzwerks treffen.
Wenn Sie Unterstützung bei der Fehleranalyse und Optimierung wünschen, ist Indu-Sol Ihr kompetenter Partner. Unsere Techniker übernehmen die notwendigen Messungen gerne für Sie. Außerdem beraten wir Sie bei der nachhaltigen Verbesserung des Potentialausgleichs und bieten mit dem EMV-INspektor® V2 ein Gerät zur permanenten Überwachung und Diagnose elektromagnetischer Störgrößen an. Es fungiert als passiver Beobachter für bis zu vier verschiedene, stromführende Kanäle. Dadurch können Sie das Verhalten der Schirmströme, der Ströme im Potentialausgleichssystem, der PE-Ströme im Motorkabel und den Verlauf der 24-V(DC)-Versorgung gleichzeitig im Blick behalten.
Benötigen Sie Unterstützung?
Auf Wunsch prüfen unsere Messtechniker die Qualität Ihres Potentialausgleichssystems und die EMV-Verhältnisse Ihrer Anlagen bzw. Maschinen.
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Gerne helfe ich Ihnen weiter. Schreiben Sie mir oder rufen Sie an.
Frank Lehmann
Leiter Produktmanagement & EMV-Spezialist- +49 (0) 34491/580-120
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EMV & Potentialausgleich in der Automatisierung - Lesen Sie hier den Praxisbericht zum aktuellen Stand der Technik von Prof. Dr.-Ing. Niemann, Karl-Heinz, veröffentlicht in atp magazin 4/2019*
*lizensiert unter Creative Commons-Lizenz - CC BY - 4.0 International [unverändert]
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